Ich bin gestresst. 12 Kinder auf meiner Station, es ist Montag, der 23.12., die Feiertage stehen bevor. Nur ein Kind kenne ich von Freitag, alle anderen wurden übers Wochenende aufgenommen – für sie existiert noch kein Arztbrief und die Sekretärinnen, die unsere Diktate schreiben, sind über die Feiertage nicht da. Kurz: Ich habe heute viel zu tun. Diktieren, alle Kinder visitieren, ggf. entlassen. So gut wie möglich alles vorbereiten für die Feiertage. Zum Glück bin ich auf der Säuglingsstation mittlerweile recht gut eingearbeitet, weiß, wie sehr ich mich auf das Urteil der Krankenschwestern verlassen kann – und dass wir ein Team sind. Das ist sehr beruhigend.
Es läuft gut an. Die meisten Kinder sollen noch bleiben, sind gerade erst gekommen oder noch zu krank, um entlassen zu werden. Keins ist kritisch krank, an sich läuft für die meisten die Therapie und die Überwachung einfach weiter. Die Eltern wissen schon recht gut Bescheid, haben zwar Fragen, aber stellen keine Ansprüche, die ich nicht erfüllen kann.
Kurz vor Mittag nehme ich ein neues Kind auf, notiere die Kurzanamnese für meine Kollegen, die sich später die Laborwerte anschauen und die Therapie überprüfen werden. Hinter mir betritt jemand das Stationszimmer, ich drehe mich nicht um – wenn ich jedes Mal aufschauen würde, wenn sich etwas tut, käme ich meinen Aufgaben nicht mehr hinterher. ‚Ah, hast du jetzt fest bei uns angefangen? Das ist ja cool!‘ Nun drehe ich mich doch um und freue mich, N. zu sehen, Assistenzärztin aus der Intensivstation, der ich letztes Jahr in der ersten Woche meines PJ auf den Fersen war. Neulich hatte ich sie schon am Telefon – mit dem Unterschied, dass sie meinen Namen nicht mehr einordnen konnte. Mein Gesicht nun aber offensichtlich schon. ‚Das freut mich wirklich, ich hätte dich auch eingestellt!‘, begrüßt sie mich strahlend. ‚Wie lange bist du schon hier? Was, schon zwei Monate? Das ist ja fast zu spät, um noch herzlich willkommen zu sagen!‘
Macht nichts, ich freue mich trotzdem. Und in der Tat, mehr als zwei Monate sind es jetzt schon – die Zeit vergeht wie im Flug bei all den neuen Eindrücken, Aufgaben, Herausforderungen. Da tut es gut, zwischendurch mal einen Schritt zurück zu nehmen und durchzuatmen. Und zu merken: auch wenn die letzten Wochen zum Teil sehr fordernd und anstrengend waren – die Quintessenz? Ich bin gut angekommen in der Klinik. Fühle mich gehalten durch ein tolles Team, freue mich über mein Gehalt, über süße Kinder und glückliche Eltern. Die meiste Zeit zumindest. Bei allen Schattenseiten, die es gibt: es ist ein toller Job!
Kommt gut ins neue Jahr!
Ihnen wünsche ich auch einen guten Rutsch… und möge der Job erfüllend bleiben.
Da sich der Blogartikel v.a. um Zeit dreht, erfüllte Zeit, schnell vergangene Zeit oder Zeit durchzuatmen etc. möchte ich eine kleine Anmerkung platzieren, die Sie vielleicht später zu einem neuen Blogartikel inspiriert:
Es gibt keine Zeit, es gibt immer nur Jetzt – das sage ich manchmal Patienten, die von Depression und schwerer Zeit berichten, von Zeit der Mühsal und konfliktreicher Zeit. Dann mache ich dem Patienten klar, dass er JETZT hier friedlich auf einem Stuhl sitzt, es ist angenehm temperiert im Raum, er hat jetzt weder Angst noch sonst ein Problem. JETZT ist alles in Ordnung. Das Problem entsteht, wenn das Denken zwanghaft in der Vergangenheit oder in der Zukunft fixiert ist, das ist problematische Zeit, die aber nur in Gedanken besteht. Manche Patienten können das sofort klar nachvollziehen und sind schlagartig erleichtert.
Für 2020 wünsche ich Ihnen und allen Bloglesern immer jetzt eine wunderbare, erfüllte Zeit!
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