Der erste Urlaub. Anstatt uns Portugals Sonne auf den Kopf scheinen zu lassen, sitzen wir zu Hause, hören Podcasts, lesen, machen Yoga, kochen, essen, gehen spazieren. Das natürlich im angemessenen Corona-Modus: zu jedem anderen Passanten ausreichend Sicherheitsabstand haltend. Zwei Meter sind mehr als man so denkt, wir haben den Zollstock-Test gemacht. Was man so tut, zu Hause, in Selbstisolierung.
So langsam sickert der Ernst der Lage und es wird langweilig. Einmal mehr freue ich mich über meinen Beruf – krisensicher und noch dazu gebraucht fühle ich mich und freue mich schon fast darauf, nächste Woche wieder zum Dienst anzutreten. (Ohne den Ernst der Lage zu verkennen.) Hoffentlich nur haben wir bis dahin genügend Masken… bisher gab es noch eine ganz schöne Diskrepanz zwischen medialer Berichterstattung und ziemlichem Unvorbereitetsein im Klinikalltag. Doch ich will nicht klagen – diese Woche hat sich bestimmt was getan und ein Notfallplan steht, inklusive Betreuungskonzept für Mitarbeiterkinder und Mitarbeiterschutz.
Doch genug von Corona. In den letzten Monaten hat sich viel getan!
Einarbeitung
Meine eigene Einarbeitung liegt noch nicht lange zurück – und schon bin ich in der Position, meiner neuen Kollegin S. zu zeigen, wie es auf ‚meiner‘ Station so zugeht. Und das ist die Säuglingsstation, auf der ich bis auf einige Spätdienst-Wochen den Großteil meiner ersten paar Monate verbracht habe, gefühlt tatsächlich geworden. Meine ‚Hood‘, hier fühle ich mich wohl. Ich kenne die Schwestern, es hat sich ein sehr kollegiales Arbeitsverhältnis entwickelt, mein Oberarzt weiß, was er mich machen lassen kann und ich weiß, wie ich auf ihn zugehen muss, wenn ich Unterstützung brauche. Im Diktieren komme ich immer schneller voran und mit unserer netten Sekretärin bin ich per du. Zwischendurch schaut sie ums Eck und bringt mir Akten, bei denen nur noch eine Unterschrift fehlt, kurz rum – der lange Weg über die Hauspost ist uns beiden zu kompliziert. Und irgendwie ist es ja auch ganz nett, sich mal von Angesicht zu Angesicht zu sehen und nicht nur über den Computer zusammenzuarbeiten. S. ist als Ärztin erfahrener als ich – sie hat schon mehrere Jahre in einer Praxis gearbeitet und vorher in der Neonatologie. Wir lernen voneinander – sie von mir die Abläufe und das Tempo, was ich an den Tag legen muss, um meine Visiten bis zur Mittagsbesprechung zu beenden. Ich von ihr den ein oder anderen Kniff bei der klinischen Untersuchung von Säuglingen und sehr geduldige und ausführliche Elterngespräche.
Nach drei Tagen bin ich regelrecht traurig, dass S. weiterzieht!
Doch zum Glück gibt es ab jetzt…
PJ-Studentinnen
Gerade noch stand ich selbst als Studentin im Krankenhaus – nun habe ich plötzlich PJlerinnen (Studentinnen im letzten Studienjahr, dem Praktischen Jahr), die engagiert mitdenken und Einsatz zeigen. Mein Wissensvorsprung fühlt sich teilweise kaum spürbar an und ich merke, dass es mich auch mal verunsichert, schlaue und strebsame Studentinnen neben mir zu haben. Doch die Vorteile und schönen Momente überwiegen und ich nehme mein Ego zurück. Nach ein paar Tagen haben H. und ich uns eingespielt: Der Deal: Sie betreut einige Zimmer allein und übernimmt den Großteil der körperlichen Untersuchung und Gesprächsführung. Ich gebe so gut ich kann mein neu erlerntes Wissen weiter und bekomme Unterstützung beim Schreiben der Arztbriefe. Nett ist das! Obwohl ich vollstes Verständnis dafür habe, dass die Studentinnen meist pünktlich um vier mit den Füßen scharren – immerhin bekommen sie für ihre Mitarbeit bei uns bisher zwar tausend Dank und einen überwiegend herzlichen Empfang – aber keinen Cent. Einige arbeiten deshalb nebenbei am Wochenende, anderen wird es zupass kommen, dass darüber geredet wird, im Rahmen der Corona-Krise zusätzliche Schichten zur Triagierung (Einordnen der Patienten nach Dringlichkeit) einzuführen, die auch studentisch besetzt werden könnten…
Wobei wir wieder beim Thema wären
Man kommt wohl nicht darum herum aktuell, zu sehr dominiert es die Nachrichten aber noch wichtiger, unseren Alltag. Vieles, das sonst selbstverständlich ist, ist plötzlich anders. Es fehlt an Kleinigkeiten. Das geschäftige Treiben, das sorglose Sonnenbad im Park. Mir fehlt der soziale Austausch, der Gang zum Bäcker, das unbedarfte Treffen von Freunden.
Stattdessen: Ungewissheit, Sorge, Angst. Innere Einkehr. Hoffnung, dass – wer weiß – vielleicht unsere Gesellschaft ein bisschen menschlicher, ein kleines Stück weiser aus dieser Zeit hervorgehen wird. Pfleger und Krankenschwestern die angemessene Wertschätzung erfahren und wir uns gesellschaftlich wieder vor Augen führen, worauf es ankommt.