Chillen mit den Beach Boys

Die Anmachsprüche sind unfassbar platt und werden gleichzeitig mit so einem Zwinkern herangetragen, dass man gar nicht anders kann, als mit einem Lachen zu reagieren. Arti grinst ebenfalls, es ist ein Spiel. Die Einladung, doch mit ihnen abzuhängen, ist aber durchaus ernst gemeint. Oder habe ich etwa was anderes vor als heute nach dem Surfen gemütlich rumzuhängen, Reggae-Musik zu hören und den Tag ausklingen zu lassen? Wahlweise mit einem Bintang-Bier?

Das Leben der Beach Boys sieht so einfach aus.

Lachen, den Touristen die Grundzüge des Surfens beibringen, lachen, für Anfänger geeignete Wellen auswählen, lachen, die Schüler vor Strömungen warnen und hohen Wellen beschützen, lachen, Pause am Strand inklusive Nickerchen und leckerstem Nasi Campur, zurück ins Camp fahren, Feierabend. Lachen und singen. Dieser Alltag wirkt aber auch so einfach und sorglos, weil unsere Guides selbst Leichtigkeit an den Tag legen und auch bei Problemen und Schwierigkeiten lachen. Eine Eigenschaft, die vielen Indonesiern eigen scheint. Denn schließlich kann man an manchen Sachen nicht viel ändern – ob man dazu nun eine gute Miene macht oder nicht, das macht den Unterschied.

Aber Arti ist müde heute. Denn obwohl er es uns nicht spüren lässt: Er leistet harte Arbeit in den Wellen. Während wir Spaß haben und mit viel Unterstützung im Ansatz erleben dürfen, wie sich surfen anfühlt, hat er den Überblick, passt auf uns und unsere Boards und sich selbst auf, schiebt uns an (denn selbst paddeln müssen wir erst mal lernen, es mangelt an Muskulatur und Technik und vermutlich noch viel mehr), lässt sich die Sonne auf den Kopf knallen, beobachtet uns, gibt uns Tipps. Jetzt die Füße hochzulegen hat er sich redlich verdient.

Auf der Fahrt am nächsten Tag erzählt mir Komang, ein weiterer Surflehrer, überraschend offenherzig, was ihn so beschäftigt momentan. Und zwar kein geringeres Thema als die Zukunft seines 1,5 Jahre alten Sohnes. Seine Frau kommt aus Neuseeland. Und Komang will wie die meisten Eltern seinem Sohn die besten Chancen ermöglichen und ihn daher in Neuseeland zur Schule schicken. Ich bin überrascht und frage, ob er selbst auch vorhabe, auszuwandern? Komang schüttelt den Kopf. Das könne er seiner Mutter nicht antun. Schon jetzt sehe er sie viel zu selten. Da es in seinem Dorf in den Bergen auf Bali kaum Möglichkeiten für ihn gegeben habe, Geld zu verdienen, sei er schon mit 14 nach Kuta gekommen, um hier sein Glück zu suchen. Schulpflicht? Ach, er winkt ab, die gebe es, aber trotzdem gebe es in Indonesien viele Kinder, die nicht oder nur einige Jahre zur Schule gingen. Jetzt ist er 25 und trägt Verantwortung für die nächste Generation. Und die soll es einmal besser haben als er.

Das coole Leben am Strand ist nur die halbe Wahrheit.

Die meisten der Männer sind schon sehr jung von zu Hause auf die Touristeninsel Bali gekommen, mangels Zukunftschancen in ihren eigenen Dörfern. Die Geschichten, die ich höre, haben oft die gleiche Rahmenhandlung. Armut, Schulabbruch, allein nach Bali. Aus den Bergen von Bali, wie Komang, das ist fast die Ausnahme, auch aus Solo auf Java oder Ostsumatra kommen unsere Beach Boys. Werden ernst, wenn sie davon erzählen, dass sie ihre Familie vermissen, oder sogar planen, wieder in die Heimat zurückzukehren.

Ob das etwas wird? Wallet erzählt, dass es in seiner Gegend sogar gute Wellen gibt – und Surfer. Aber die sind nicht das ganze Jahr über da und meist fortgeschritten, so dass sie keinen Lehrer wie ihn mehr brauchen.

Nicht alles am Tourismus auf Bali ist richtig. Aber wo Schatten ist, ist auch Licht.

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