Staatsexamen

Am Dienstag wird es ernst. Und Mittwoch und Donnerstag. Auf diese drei Tage bereite ich mich seit vier Monaten vor. Naja, eigentlich könnte man auch behaupten seit dreieinhalb Jahren. Seit im Studium die klinischen Semester für mich begonnen haben. Oder – noch größer, ein bisschen pathetisch aber nicht wirklich falsch: seit fünfeinhalb Jahren. Denn schließlich wurden in der Vorklinik die Grundlagen gelegt für alles, was danach kam.

Noch weiter will ich nicht gehen. Obwohl man natürlich auch die Schulzeit dazuzählen könnte. Wegen Chemie und Bio zum Beispiel. Oder wegen der Abinote, die ja für die meisten überhaupt erst ein Medizinstudium möglich macht.

Puh, wenn man es so betrachtet, finde ich es verständlich, dass ich so langsam unruhig werde. Immerhin ist das DIE Prüfung des Studiums! Und ein bisschen Aufregung ist ja vermutlich sogar gut und sorgt für Aufmerksamkeit und Wachheit an den drei Prüfungstagen. Immerhin werden ich und meine Kommilitonen jeweils fünf Stunden lang über Fragen brüten.

Und nach Aufregung kommt nach der Prüfung dann auch die Erleichterung, das kenne ich schon aus Klausurenphasen. Das angenehme Gefühl, vorangekommen zu sein. Sich erholen zu dürfen.

Bei uns fängt endlich der Frühling an und ich bin froh, dass er dieses Jahr so spät kommt. Schon gemein irgendwie, drinnen am Schreibtisch kleben zu müssen, wenn sich draußen endlich die langersehnte Sonne zeigt und andere Menschen Eis essen gehen. Und einfach so die Seele baumeln lassen.

Aber nun ist es ja bald geschafft. Denn heute setze ich mich vorerst zum letzten Mal an den Schreibtisch. Morgen noch etwas durchzuschauen – darauf habe ich keine Lust. Der Lernplan ist abgearbeitet und die Chance, dass ich morgen noch konzentriert werde arbeiten können und genau das Detail zu einem Thema lese und behalte, das dann auch abgefragt wird, gering. Dann lieber Energie tanken, durchatmen und Eis essen – und am Dienstag darauf vertrauen, dass in den letzten Monaten und Jahren doch einiges hängen geblieben ist.

Noch dazu haben wir deutschen Medizinstudenten es leicht: Einen Job bekommen wir alle, vermutlich sogar den, den wir wollen. Vielleicht müssen wir abwägen: Lieblingsstadt oder bevorzugte Fachrichtung? Vielleicht finden wir unseren Weg nicht direkt, sondern über einen Umweg. Aber während meiner Erasmus-Zeit in Frankreich habe ich gehört, dass in Italien nur etwa 50% eines Jahrgangs eine Assistenzarzstelle bekommt – diejenigen mit den besseren Noten. Und in Frankreich entscheidet das Examen, in welcher Rangordnung man sich Ort und Fachrichtung aussuchen kann: Wer zu schlecht abgeschnitten hat, bekommt, was übrig bleibt.

Von den Juristen ganz zu schweigen, die nicht nur deutlich höhere Durchfallraten im Staatsexamen haben, sondern für viele Jobs auch wirklich gute Ergebnisse vorweisen müssen.

Da haben wir es doch gut.

Denn bei allem persönlichen Ehrgeiz, spielt die Note letztendlich für uns keine große Rolle. Das ist ungewohnt, gerade wo doch die meisten MedizinstudentInnen sehr gute SchülerInnen waren. Aber auch sehr angenehm, wenn man es annehmen kann.

Und jetzt noch einmal zurück an den Schreibtisch – ein letztes Mal vor dem Staatsexamen. Und dann rein ins Leben: Urlaub, Sonne, Licht und Liebe. PJ, Klinik und Patientenbett.

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2 Gedanken zu „Staatsexamen

  1. Ich hab Ihnen die Daumen gedrückt. Hoffentlich ist Ihnen das Examen gelungen und Sie können jetzt Aufatmen. So reflektiert, wie Sie hier im Blog schreiben, ist Ihnen eine gute Note bestimmt sicher. Und wenn nicht: Hauptsache, Sie sind durch. Im PJ wird es bestimmt noch viele Erste-Male geben und Situationen, in denen man sich bewähren kann. Eine Prüfungssituation wie beim Examen ist ja doch immer speziell. Wenn man es da verhaut, heißt das noch lange nicht, dass man keine gute Ärztin wird. Auch wenn ich nur Ihr Blog kenne, bin ich mir bei Ihnen irgendwie sicher: Sie schaffen das.

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