Sinnieren zum Semesteranfang

Rückblick. Den letzten Abend des ersten Semesters habe ich mit einigen Kommilitonen verbracht. Gemeinsam haben wir erst ein Konzert besucht und uns dann in einer WG versammelt. Gelacht, getanzt – erleichtert über bestandene Prüfungen und in Vorfreude auf die ersten Semesterferien. Irgendwoher tauchten dann kleine Leinwände und einige Stifte auf und wir begannen, nach all dem stumpfen Auswendiglernen von Knochen und Muskeln sowie der Auffrischung und Vertiefung von Bio, Physik und Chemie mal wieder unserer kreativen Seite Raum zu geben.

Gänzlich unbeeinflusst von den ersten Wochen des Medizinstudiums waren wir jedoch nicht. Ein Skelett wurde kunstvoll gestaltet (anatomisch zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger einwandfrei; es war also etwas hängen geblieben), Phantasiegestalten, die inspiriert von dem Aufbau menschlicher Organe waren.

Ich malte zwölf Sterne, einen davon auf der Brust eines Strichmännchens. Einen, für das erste Semester. Gefühlt unglaublich viele andere lagen noch vor mir, gab es noch zu erobern.

Inzwischen prangen zehn Sterne auf meiner Brust.

Viereinhalb Jahre liegt dieser Abend zurück. Und viel ist passiert. Weiteres medizinisches Wissen wurde erarbeitet, neue Freundschaften haben sich entwickelt und andere sind auseinander gegangen. Hochs und Tiefs in der Liebe, hin und wieder Zweifel an der Sinnhaftigkeit einiger Studieninhalte. (In meinem Fall zum Glück nie am Studienfach selbst.) Und alles ist irgendwie gut, wie es gekommen ist.

Momentan nimmt wieder ein neuer Jahrgang das Medizinstudium an meiner Uni und in ganz Deutschland auf. Mit ihnen bin ich gespannt und aufgeregt. Lasst euch gesagt sein, eure Sterne zu genießen, kleine Erfolge zu feiern, euch nicht stressen zu lassen, sondern in Vertrauen auf euch selbst euren Weg zu gehen. Denn es wäre schade, sich durch das Studium hetzen zu lassen, sich die Faszination durch Stress nehmen zu lassen.

Greift nach den Sternen.

Doch genug der Ratschläge. Denn im Allgemeinen habe ich den Eindruck, dass sie nicht unbedingt viel bringen. Entweder, jemand ist bereits aus eigener Überlegung und Erfahrung zu den Schlüssen gekommen, die ihm ein anderer ans Herz legt. Und kann sie deshalb nachvollziehen und beherzigen. Oder aber, es mangelt an Parallelen, Identifikationspotenzial, eigenen Erfahrungen. Und man ist zwar höflich und hört zu, will aber trotzdem anders vorgehen.

Und so ist es doch auch viel spannender. Wenn jeder seinen eigenen Weg geht. Nicht die Schritte von anderen kopiert oder gar in dessen Fußstapfen läuft und sich ständig rückversichert, um ja keinen falschen Tritt zu machen. Trotzdem frei ist von Angst, Stress und Sorgen. Einfach weil das Leben spannend, interessant und lebenswert ist. Und zwar jede Phase. Vielleicht jedoch die der Studienjahre und des jungen Erwachsenseins ganz besonders – weil es da am natürlichsten ist, sich auszuprobieren, sich erst einmal selbst kennenzulernen, eine erste Richtung einzuschlagen.

(Wobei mein persönlicher Wunsch ist, damit nie aufzuhören.)

In diesem Sinne: Guten Start ins Studium und neue Semester!

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