Viele Möglichkeiten zu haben, bedeutet auch, viele Entscheidungen zu treffen. Natürlich könnte ich mich auch einfach zurücklehnen und dem Leben gänzlich seinen freien Lauf lassen. Aber irgendwie will ich doch auch Akteur, Dirigent, Protagonist sein! Und werde folglich aktiv, informiere mich, schreibe Bewerbungen, buche Flüge, entkomme der Gemütlichkeit und dem Trott meines altbekannten Alltags.
Wenn man erst einmal da ist, sind die Dinge erfahrungsgemäß einfach. So viel Erfahrungen habe ich mittlerweile. Aber erst einmal hinkommen… und wohin eigentlich? Von der nächsten Urlaubsplanung mal abgesehen – so langsam könnte ich mir Gedanken um die letzte Phase meines Studiums machen: das Praktische Jahr. Noch mal Ausland? Fachrichtung?
Entscheidungen treffen ist gar nicht so einfach. Dabei weiß ich doch, dass im Endeffekt immer genau das, was eingetroffen ist, genau so sehr gut war. Oder sich zumindest meine Sichtweise im Laufe der Zeit entsprechend anpasst. (In diesem Sinne sei euch einer meiner Lieblings-TedTalks empfohlen.)
Am Ende ist alles genau richtig gelaufen.
Mein Erasmus-Jahr in Frankreich zum Beispiel: Ursprünglich hatte ich gedacht, kein Auslandssemester machen zu wollen. Dann habe ich mich doch irgendwie dafür entschieden und mich im Kopf auf Lyon eingeschossen – hoher Freizeitwert (Berge, wandern, klettern), kleine Stadt, ziemlich südlich. Als die Zusage für Paris kam, war ich – das muss ich zu meiner Schande zugeben – im ersten Moment enttäuscht. Und dann wurde es (natürlich!) ein großartiges Jahr.
Derartige Geschichten könnte ich noch viele nennen. Und ihr bestimmt auch.
Im Land der 1.000 Möglichkeiten
Nun geht es mit großen Schritten auf das PJ zu. Was mache ich daraus, habe ich Lust, noch mal ein bisschen Zeit im Ausland zu verbringen? Land, Sprache, Leute zu entdecken? Irgendwie schon. Aber wohin? Noch mal Paris wäre fantastisch, aber spannender doch eigentlich eine neue Stadt, ein neues Land. In der Schweiz werden PJler gut bezahlt und die Lehre soll toll sein, aber das wäre auf deutsch und kulturell meiner Heimat deutlich ähnlicher. Kolumbien klingt dagegen nach einem absoluten Abenteuer, sprachlich wäre das aber eine ziemlich schwierige Angelegenheit und fachlich würde ich dadurch vermutlich weniger profitieren; oder von den Anforderungen überfordert sein, denn Erfahrungsberichte lassen durchblicken, dass die Studenten dort schon sehr stark eingespannt sind…
Oder was Entspanntes. Bali, Südafrika – das klingt exotisch-paradiesisch und nach extrem hohem Freizeitwert. Yoga, Surfen, Rumreisen, die Seele baumeln lassen. 100%ige Anwesenheit wird scheinbar nicht überall erwartet. Und Sonne tanken vor dem Einstieg in den Berufsalltag – wäre das nicht auch ganz schön?
First World Problems
Ja, das wäre es. Aber die anderen Möglichkeiten auch. Jede auf ihre Art; weil das Leben per se einfach schön ist. (Zumindest das meine, wenn ich das mal ganz offen so sagen darf. Und das nicht um zu prahlen oder posen, sondern ganz einfach, weil es ist wie es ist; weil ich sehr viel Glück hatte und in einer Zeit und in einem Land und in einer Familie gelandet bin, die es mir leicht macht.)
Alle mir gebotenen Möglichkeiten muss ich aber trotzdem nicht nutzen. Kann ich auch gar nicht. Und selbst, wenn ich mich entscheiden sollte, im Endeffekt sogar ganz zu Hause zu bleiben – das wäre ok, denn man muss nicht immer alles mitnehmen.
Ein bisschen erinnert mich das an Voltaire:
‚Alles was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen.‘
Sehr charismatischer Mann im Übrigen. Zumindest seinem Aussehen nach zu urteilen – ich war letztes Jahr sehr angetan von seiner Statue im Pariser Pantheon, die so lebendig (und weise!) wirkte, dass ich am liebsten direkt ein Gespräch über Gott und die Welt gestartet hätte.
Wie dem auch sei. Holprig übersetzt für meine Situation:
‚Alle Schritte, die du gehst, sollten deine Fußabdrücke hinterlassen. Aber nicht alle Wege, die sich dir bieten, müssen von dir begangen werden.‘
Was ich nicht will, ist anderer Leute Wege abtrotten, nur weil das gerade so üblich ist. Vielleicht hüpfe ich noch ein bisschen in der Weltgeschichte herum. Vielleicht bleibe ich aber auch mal stehen und schaue mir Altbekanntes intensiver an. Mal sehen!
… Und ihr so?
Wie wahr! Ich finde es gar nicht so einfach, zu wissen, was MEINE Wünsche, Träume, Ziele sind, und was ich vielleicht auch nur möchte, weil es andere auch machen oder von mir erwarten. Dabei ist es doch mein Leben…
Schön, dass du bisher so zufrieden mit deinem Werdegang bist!
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Wir gehen nur scheinbar irgendwelche Wege, stattdessen geben wir dem Sein, dem Leben insgesamt Raum, zu sein. Das, was geschieht, ist immer gut – wir leiden nur, wenn wir Widerstand leisten und anders wollen.
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