Kind sein in Paris

Ein ganz normaler Samstagnachmittag in Paris. Die engen Gassen von St-Germain, des bekannten und einstmals bei Intellektuellen und Philosophen sehr beliebten Viertels südlich der Seine, sind angenehm belebt. Heutzutage ist es ziemlich touristisch, gepflastert mit edlen Geschäften, schicken Cafés und teuren Restaurants. Mehrmals schnappe ich englische Wortfetzen auf. Gut möglich, dass die Amerikaner das Viertel aus Filmen kennen. Aus einem Second-Hand-Laden, bei dem ich den Hinweis auf Luxusmarken auf den ersten Blick übersehen habe, gehe ich schnell wieder raus. Lieber Window-Shoppen, Leute beobachten und die Atmosphäre genießen. Sich durch Paris treiben zu lassen macht großen Spaß. Immer wieder stolpere ich über eine Sehenswürdigkeit, die ich ansonsten nie bewusst angesteuert hätte, weil ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Bzw. Sehenswertes im Allgemeinen, Menschen und ihre Subkulturen zum Beispiel. Heute Kopfsteinpflaster, enge Gassen, Designerboutiquen mit entsprechendem Publikum.

Eher zufällig gelange ich an einen Seiteneingang des Parc de Luxembourg. Obwohl ich schon des Öfteren hier war, bin ich diesmal in einer Ecke gelandet, die ich noch nicht kenne: der für Kinder. Schon von Weitem ist das bunte Treiben zu erahnen, der Wind trägt Gelächter und Kindergeschrei zu mir herüber. Etwas näher an die kleinen Menschen in ausgelassener Stimmung herangekommen teile ich ihre Begeisterung: Eine Seilbahn im Kreis! Bzw. abgerundetem Vieleck! Wie dem auch sei, auf jeden Fall klasse, spannender zum Fahren und statt den Sitz fast die ganze Strecke zurückziehen zu müssen, gibt es ein kurzes steiles Stück, das zu überwinden ist. Und obendrein sind mehrere Sitze gleichzeitig in Aktion. Insgesamt sehr effizient. Platzprobleme machen erfinderisch. Oh, und ein Erwachsener hilft den Kindern sogar beim Aufsteigen! Etwa ein Freiwilliger, so wie ich sie jeden Morgen sehe, in gelben Westen, um Schulkindern das ungefährliche Überqueren der Straße zu ermöglichen? Entzückend! — Ach nein, ein Vater. Der auch wirklich nur seinem Kind hilft. Fies wirkt das, obwohl es irgendwie verständlich ist, bei der Schlange… Hier hätte er noch den ganzen Nachmittag zu tun. Über zehn Kinder stehen brav aber vor Aufregung ganz zappelig an. Geduld wird in Paris wohl oder übel schon in jungen Jahren geübt. Genau wie die Notwendigkeit des Teilens. Der Spielplatz ist proppenvoll und sehr eng, wie halt fast alles in Paris. Und noch dazu umzäunt. Ob die Pariser Eltern es in dieser Hinsicht den amerikanischen gleichtun und ihre Kinder pausenlos beschützen möchten? Oder etwa… suchend lasse ich den Blick schweifen. Und tatsächlich. Am anderen Ende des Spielplatzes ist ein kleines grünes Häuschen zu sehen. Das Spielen hier kostet Eintritt! Zumindest auf Spielgeräten. Und zwar stolze Pariser Preise: Kinder zahlen €2.50, Erwachsene €1.20. Vermutlich ist das für diejenigen, die es sich leisten können, in dieser Gegend zu wohnen, kein Problem. Und ohne diese Barriere wäre der Spielplatz wohl noch deutlich voller als er es ohnehin schon ist. Aber trotzdem. Ich als verwöhnte Hamburgerin, die auf den großzügigen Anlagen im Stadtpark und im Park ‚Planten un Blomen‘ groß geworden ist, kann das ganz und gar nicht gutheißen. Da ist der sonst so großzügige Sozialstaat Frankreich also mal knauseriger als der deutsche, interessant. Wobei – dafür gibt es hier deutlich mehr und besser organisierte Kinderbetreuung.

Dieser Gedanke versöhnt mich wieder und lässt meine soeben ein kleines Stück in die Höhe erhobene Nase wieder auf Normalniveau sinken. Die Sonne blitzt hervor. Vögel zwitschern. Es riecht nach Frühling. Ich lasse mich weiter treiben durch das schöne Paris.

3 Gedanken zu „Kind sein in Paris

  1. Da ist der sonst so großzügige Sozialstaat Frankreich also mal knauseriger als der deutsche, interessant. Wobei – dafür gibt es hier deutlich mehr und besser organisierte Kinderbetreuung. Was ist so grosszügig an dem sogenanten Sozialstaat Frankreich und die bessere organisierte Kinderbetreunng als in Deutschland.?

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    1. Liebe Lizie Meier, danke für dein Interesse. In erster Linie habe ich daran gedacht, dass es in Frankreich schon ab dem dritten Lebensjahr möglich ist, sein Kind an der staatlichen ‚école maternelle‘ anzumelden (eine Art Vorschule) und somit die Kindergartenkosten wegfallen. Und bei einem Gespräch mit einer Maitresse (Grundschullehrerin) habe ich kürzlich den Eindruck gewonnen, dass das recht gut organisiert ist. Ein Platz steht meines Wissens nach auch jedem Kind zu; in Deutschland ist es ja in der Praxis teils schwierig, sein Kind gut unterzubringen. Und als Studentin habe ich mich kürzlich über Wohngeldzuschuss von der CAF (caisses d’Allocations familiales) gefreut, das also als ein persönliches Beispiel zum französischen Sozialsystem. Ich bin in dieser Hinsicht jedoch kein Experte und gebe auf meinem Blog meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen wieder. Vielleicht hast du andere gemacht? Liebe Grüße!

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