Die zwei Absagen kommen zuerst.
Sehr geehrter Frau Kollegin [sic],
vielen Dank für Ihre Bewerbung. Gegenwärtig haben wir keine Stelle frei. Ich werde Ihre Bewerbung behalten und mich melden, falls sich die Situation in den nächsten Wochen/Monaten ändert.
Die andere ist persönlicher formuliert, ohne Tippfehler und schließt nicht nur mit der Standard-MfG-Formel aus der E-Mail-Vorlage ab, sondern mit einem individuellen Gruß. Inhaltlich liest sie sich aber genauso. Was habe ich mir eigentlich gedacht, dass die Welt nur auf mich gewartet hat? Ich wundere mich über meine Enttäuschung, vom Kopf her wusste ich ja, dass ich nicht von Stellenangeboten überschüttet werden würde. Und trotzdem fühlt es sich nun blöd an im Bauch.
Von den anderen Kliniken noch keine Reaktion. Bedeutet das, dass dort etwas frei ist und sich eingehender Zeit genommen wird, meine Bewerbung zu prüfen? Oder ist die Personalabteilung nur langsamer oder der Chef im Urlaub? Ich bin aufgeregt und gehe Stellenanzeigen durch. In der Neurologie wird gerade viel gesucht. In der Pädiatrie, wo ich gern arbeiten möchte, ist kaum etwas ausgeschrieben – die meisten Kliniken haben das nicht nötig, es trudeln genügend Initiativbewerbungen bei ihnen ein. Meine ist eine davon. Hoffentlich kommt sie im richtigen Moment. Jetzt, wo einige Kommilitonen aus meinem Jahrgang schon untergekommen sind und der nächste Schwung noch nicht fertig ist mit dem Examen. Ob die Chefärzte diese Zyklen bemerken? Oder verteilen sich die Bewerbungen gleichmäßig aufs Jahr, weil der eine Absolvent noch Urlaub machen wollte und die andere ihre Doktorarbeit abschließen will, so wie ich? Wenn man viel Zeit hat, kann man sich viele Gedanken machen. Auch unnötige.
Zwischendurch Sommer, es ist noch mal heiß geworden und ich verbringe einen ganzen Tag im Freibad. Schön, aber allein, weil kein anderer Zeit hat. Wenn alle anderen arbeiten, kann ich meine Freizeit nur halb so gut genießen. Sonne, Sport und Lesen macht immer noch Spaß, aber ich will gern mal wieder richtig was erleben, mitten im Leben stehen. Eine Aufgabe haben, Teil eines Teams sein, etwas Sinnvolles tun. Ich will jetzt auch arbeiten.
Am nächsten Tag ein Hoffnungsschimmer. Oder vielleicht sogar mehr? Ich will mich nicht zu früh freuen, all zu große Enttäuschung vermeiden, falls doch nichts daraus wird.
Liebe xxx,
vielen Dank für Deine Bewerbung.
Ich werde zeitnah meinen Stellenschlüssel mit der Personalabteilung abgleichen und mich dann nochmals bei Dir melden. Wir hätten nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit eine Stelle zu vergeben.
Lieben Gruß
xxx
Ich kenne den Chefarzt aus meinem PJ. In meinem Anschreiben habe ich ihn aber nicht geduzt, er war zwar sehr sympathisch, aber selten auf Station, nur bei der wöchentlichen Visite dabei und hin und wieder zwischendurch mal da. So eine Antwort hatte ich nicht erwartet. So persönlich. Und so vielversprechend. Hoffentlich irrt er sich nicht. Ich bin gespannt…
Und schicke noch zwei Bewerbungen ab. Man weiß ja nie.
Willkommen im Leben. Auch in nicht ärztlichen Berufen schreibt man Bewerbungen ohne Ende. Mit viel Glück bekommt man eine Reaktion. Ist aber leider sehr selten geworden. Absagen trudeln regelmäßig ein. Irgendwann darf man sie nicht mehr persönlich nehmen.
Geduzt wurde ich in einem Anschreiben noch nie. Fände ich auch nicht in Ordnung. In der Firma / Klinik selbst ist es was anderes, wenn man Kollegen duzt.
Viel Erfolg bei der Suche (ich suche dieses Jahr auch wieder. Wie seit 2012 jährlich im kaufmännischen Bereich)
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