Diesmal passt die Kategorie sogar richtig gut: Wanderlust nicht im übertragenen, sondern im eigentlichen Sinne!
Denn nach dem Examen war klar: Raus muss es gehen. Weg vom Schreibtisch, und in die frische Luft.
Wandern, atmen – leben.
Vom Fischerpfad in Portugal hatte mir letztes Jahr eine Freundin erzählt. An den Klippen der wilden Westküste entlang, durch blühende Felder, Dünen, umringt von schönstem Naturschauspiel. So in etwa hatte es geklungen.
Wir sollten nicht enttäuscht werden.
Die Vorzüge der heutigen Zeit nutzend, treten wir die Reise ohne viel Vorbereitung an. Neben der Examensvorbereitung war nur das Buchen der Flüge drin, obwohl wir uns mehrmals vorgenommen hatten, schon mal nach Unterkünften zu schauen, zu planen, wann wir wo sein würden. Doch irgendwie hatten wir das einfach nicht hinbekommen.
Macht nix. Schnell noch ein Hostel in Lissabon für die erste Nacht – und los geht’s. Schon an Tag 2 unserer Reise kommen wir mit dem Bus um zwei Uhr nachmittags in Porto Covo, einem kleinen Fischerdorf und dem Anfangspunkt unserer Wanderung, an. Und überlegen nicht lange – wir wollen direkt starten. Die sieben Stunden Wanderzeit für die erste Etappe von 22km schrecken uns nicht ab – sind sie doch bestimmt für gemütlichere Erwachsene angegeben und nicht für zwei hochmotivierte junge Mediziner, die ungeduldig mit den Füßen scharren, weil sie die letzten vier Monate notgedrungen überwiegend daheim im stillen Kämmerlein verbracht haben.
Schnell pflegen wir unsere sonnenentwöhnte Haut noch mit schützender Creme. Da kommen zwei Portugiesen mittleren Alters vorbei. Etwas wild sehen sie aus, aber ein nettes Grinsen umspielt ihre Augen. Der eine sagt etwas uns unverständliches und streckt seine braun gebrannte Hand aus, die mit ihrer dicken Haut nach echter Arbeit aussieht. Bereitwillig geben wir ihm etwas Creme ab und er reibt sich verschmitzt das Gesicht ein, das wohl sonst kaum Pflegecremes gewohnt ist. Verarscht er uns etwa? Wenn ja, dann auf eine nette Art. Er bedeutet uns, mitzukommen.
Hinter einer Ecke parkt sein Auto. Stolz zeigen unser neuer Freund und sein Kumpel uns frische Seeigel. Heute Vormittag geerntet. Scheinbar nicht schwierig, im seichten Wasser bei entsprechendem Schutz vor den Stacheln einfach einzusammeln. Zum Glück kennen die beiden doch ein paar Brocken Englisch, so dass wir uns verständigen können. Die Männer freuen sich über unsere ungläubigen Städtekinder-Blicke. Seeigel kann man essen? Der eine zieht sofort ein Messer aus der Tasche, bricht die Schale auf und bietet uns das rötliche Fleisch an. Einen kurzen Moment zögere ich. So ganz sauber sieht die Messerklinge nicht aus, wer weiß, ob ihr Besitzer sie nicht kurz davor noch genutzt hat, um einen Fisch auszunehmen… Dann kann ich der Gastfreundschaft aber nicht widerstehen und probiere. Sehr salzig, aber nicht schlecht. Die beiden strahlen. So frisch seien die Seeigel am besten! Sie erkundigen sich, ob wir in drei Tagen auch noch da sein werden. Da findet wohl ein kleines Seeigel-Festival oder so ähnlich statt. Wir schütteln bedauernd die Köpfe, ich zücke meine Wanderstöcke. Nein.
Denn wir wollen starten!
Kaum verlässt man den kleinen Küstenort, ist man in den Dünen. Und wir sind schon jetzt begeistert von dem Naturschauspiel, das sich uns bietet: Die Ranken, die auf der Steilküste wuchern, blühen gelb, pink, rosa, die Blätter sind mal grün, mal rot. Daneben braust das Meer, tobt die Brandung, schlagen Wellen gegen Fels, ziehen Vögel ihre Kreise.
Wider Erwarten treffen die sieben Stunden Wanderung auch für uns zu. Der Weg ist insgesamt sehr eben und einfach zu begehen, führt aber ein ganzes Stück über den Strand und durch die sandigen Dünen. Und das ist ganz schön viel für unsere momentan doch eher durchschnittlich trainierten Waden.
Geschafft kommen wir in Vila Nova de Milfontes an. Suchen das Hostel auf, dass am besten zum knapp bemessenen Studentenreisebudget passt. Müssen mangels freier Betten auf ein von privat vermietetes Zimmer bei einer netten Familie ausweichen. Freuen uns über die schöne warme eigene Dusche und das große Zimmer mit Meerblick, dass wir uns unverhoffterweise notgedrungen für diese erste Nacht gönnen. (Reservieren Plätze in Hostels für die nächsten Tage, damit uns das nicht noch mal passiert.)
Legen die Füße hoch. Und essen Nudeln. Schließlich brauchen wir Kraft für die nächsten Tage. Für die nächsten Kilometer an frischer Luft an der Küste Portugals.