Dass Schafe und Ziegen in den Bergen im Frühjahr auf Almen getrieben werden, um dort den Sommer über zu weiden, weiß ich spätestens seit ‚Heidi‘, über deren Leben ich in früher Kindheit in Form einer japanischen Manga-Serie ausgiebig informiert wurde. Dass ich selbst zumindest mal streckenweise dabei sein würde – an diese Möglichkeit habe ich bisher nie gedacht! Als Kind hatte ich zwar das seltene Privileg, von unserem Fenster aus Schafe zu sehen und das in einer großen Stadt.
Darüber hinaus bin ich aber dennoch ziemlich dörflich unbefleckt und landfern aufgewachsen.
Aber im Leben bieten sich glücklicherweise auch im Erwachsenenalter noch tausend Möglichkeiten, neue Dinge zu entdecken. When was the last time you did something for the first time? Und so stehe ich an diesem Samstagmorgen stramm und stolz wie Oscar an Seiten einiger Schäfer in einem kleinen Tal der französischen Pyrenäen. Neben mir ihre Familien sowie eine Handvoll anderer Touristen, die dabei sein wollen. Dazu an die 100 määh-machende, schaaf-scharfen Geruch verströmende ‚Brebis‘ = Schafe.
Zügig geht es los, einige Schäfer vor der Herde, einige andere und unser Trupp dahinter. Sobald wir in der Geschwindigkeit nachlassen, driften die Tiere auseinander, daher müssen wir so schnell sein, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, abseits Kräuter, junge Blätter und Blüten als Delikatesse zu erkennen und gierig zu vernaschen.
Unter dem Gefolge sind auch einige Kinder, die voller Energie und Eifer schnellen Schrittes folgen. Solange sie wacker durchhalten, halte auch ich tapfer das Tempo ohne die Miene zu verziehen, obwohl mir die kleinen Steigungen, die uns erwarten, ziemlich auf die durch Heuschnupfen angeschlagene Puste gehen…
Pausen sind spärlich gesät, aber zu meiner Erleichterung bleiben wir zweimal für einige Minuten stehen. Am Straßenrand verkaufen Anwohner Kaffee aus Thermoskannen. Comme ça fait du bien! Die Schafe sind dicht gedrängt zusammengepfercht, links ein Graben, rechts ein Zaun, vor und hinter ihnen nach wie vor einige Hirten mit gezückten Wanderstäben, die sich zweckerweitert wunderbar dazu eignen, abenteuerlustige abtrünnige Schafe wieder auf die richtige Bahn zu schubsen.
Nach dreieinhalb Stunden erreichen wir unser Ziel.
Am Rande eines malerischen Bergsees sind Zelte für ein kleines Volksfest aufgebaut. Nach der Befriedigung des ersten menschlichen Grundbedürfnisses (stilles Örtchen), reihen wir uns ein um – mit dem von weit her duftenden Bioburger (alle Zutaten zudem aus der Region!) – ein weiteres zu erfüllen. Wie gut, dass ich Flexitarierin bin! (Vegetarierin aus vordergründig ökologischen und nur in zweiter Linie ethischen Gründen; bei guter Qualität und moralisch vertretbarer Herkunft Ausnahmen möglich).
Endlich zeigt sich auch die Sonne, die sich bislang hinter grauen Regenwolken versteckt gehalten hat. Gerade rechtzeitig, denn ohne Bewegung haben wir langsam angefangen zu frösteln… als krönender Abschluss: ein Auftritt des Hirten-Männerchors. Die tiefen Stimmen vereinen sich perfekt und Texte vom Schwärmen der ersehnten Berghütte und der Liebe zu den Bergen laden ein zum nostalgischen Schunkeln und Wohlfühlen in der Gemeinschaft. En gros – une expérience extraordinaire!