Psychiatrische Diagnostik

Die Psychiatrie ist ein Fall für sich; ein Fach, das irgendwie eine Sonderrolle hat in der Medizin. Denn hier geht es nicht um Erkrankungen des Körpers sondern der Psyche. Dass Wissenschaftler zunehmend körperliche Korrelate zu den psychischen Erkrankungen finden – ein Ungleichgewicht der Hormone, Nervenzellen störende Ablagerungen, Autoimmunreaktionen – erweitert die Therapiemöglichkeiten; die Berührungsängste und Stigmata, die sich um die Erkrankungen ranken, sind nach wie vor weit verbreitet.

Die schwer erkrankten Patienten, die in der Uniklinik stationär behandelt werden, und die wir im Rahmen des Blockkurses kennen lernen, bekommen meist eine ganze Bandbreite an Behandlungen: Medikamente, Verhaltens- und Psychotherapie, teils in Gruppen, teils in Einzelsitzungen. Ergänzend Sport, Ergo- und Physiotherapie.

Auch die Mediziner, deren Weg nicht in die Psychiatrie führen wird, werden in Kontakt mit Patienten kommen, die psychiatrische Leiden haben; und ggf. behandlungsbedürftig sind. Daher ist es wichtig für uns alle, einen Überblick über die entsprechenden Erkrankungen zu bekommen – und den Umgang und die spezielle Anamneseerhebung und Gesprächsführung zu üben und in der Lage zu sein, einen psychopathologischen Befund zu erstellen. Oder entscheiden zu können, wann akute Selbst- oder Fremdgefährdung besteht und ein Patient daher eingewiesen werden sollte. Oder aber – und das deutlich vermutlich am häufigsten – für einen somatisierenden oder hypochondrischen Patienten die richtige Therapie zu finden.

Im Folgenden einige Fallbeispiele, die ich in den letzten Wochen (in ähnlicher leicht abgewandelter Form) kennen gelernt habe. Die Symptome passen zu bestimmten Erkrankungen – was für eine Diagnose würdet ihr stellen? Ich bin gespannt darauf, schreibt sie einfach als Kommentar unter diesem Beitrag.

Fallbeispiel 1

Eine Familienmutter in den 40ern. ‚Innere Leere, selbst an Heiligabend. Die Kinder waren glücklich, haben sich über die Geschenke gefreut. Doch daran teilhaben, das ging irgendwie nicht. … Und das Aufstehen morgens fiel auch schwer. Ausgeschlafen oder frisch, dieses Gefühl war ohnehin schon lange verschwunden. Wie auch, wenn in der Nacht viel wach gelegen wird und die Gedanken sich im Kreis drehen und Probleme von allen Seiten betrachtet werden, ohne auch nur irgendwie weiterzukommen. … Fast alles im Alltag war zu viel, einkaufen, kochen; der Appetit längst nicht mehr da. … Nicht mehr zur Last fallen. Der Gedanke, dass das doch alles irgendwie keinen Sinn mehr ergibt…‘

Fallbeispiel 2

Die Gedanken einer 14-Jährigen. ‚Oh Gott, es könnte tatsächlich sein. Nein, nein, nein, das wäre schlimm, das will ich doch gar nicht… Aber vielleicht könnte es mich treffen! Denn die anderen hätten das doch vermutlich auch vorher nicht von sich gedacht oder? Und woher soll ich es wissen, schließlich hatte ich ja noch nie einen Freund. Und so ein bisschen schauen auf die Brüste von anderen Mädels zum Beispiel, das mache ich ja schon mal…

Das Zähneputzen wird schwierig, aber irgendwie beruhigt es mich, wenn die Zahnpasta genau so ordentlich auf der Zahnbürste ist, wie in einem Werbespot. Und wenn ich es halt öfter machen muss, um das hinzubekommen, dann ist das so. Zumindest habe ich dann das Gefühl, dass ich mich irre und nicht auf Frauen stehe!‘

Fallbeispiel 3

Ein 50jähriger im Gespräch mit Studenten. ‚Ja, warum bin ich hier? Ich muss beschützt werden, denn die sind alle hinter mir her. Die sind scharf auf meinen Erfolg. Meine Autowerkstatt haben sie mir ja schon genommen, dabei lief die echt gut. Aber um so besser, dass ich jetzt so erfolgreich bin mit meinen Büchern! Ja ich weiß, ihr kennt mich trotzdem nicht, die stellen sicher, dass in Deutschland keiner etwas davon mitbekommt, aber im Ausland, da wird nicht zensiert, da bin ich schon ganz groß! Und hier aus der Klinik heraus schreibe ich weiter, das geht ja zum Glück alles heutzutage. Hier auf meinem Laptop habe ich meinen aktuellen Krimi! Dem einen Pfleger habe ich daraus schon vorgelesen und der ist ganz begeistert, wusste ich es doch! Auf Instagram hatte ich schon 20.000 Follower und das trotz der Schikane! Aber jetzt haben sie meinen Account gehackt und alles gelöscht. Ich kann nur hoffen, dass sie nie an mein Manuskript kommen…‘

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9 Gedanken zu „Psychiatrische Diagnostik

  1. Oh, ich darf auch mal eine Diagnose versuchen?
    1. Depression. Leider ziemlich deutlich. Die Frau kann Hilfe gebrauchen.
    2. offenbar hat das Mädchen noch keinen Plan von ihrer Sexualität. Nicht ganz ungewöhnlich für Teenager, vielleicht ist sie lesbisch, vielleicht bi, vielleicht keins von beiden. Beuunruhigender ist da die Zwangshandlung mit der Zahnpasta.
    3. ist das jetzt eine Psychose? Paranoid ist er jedenfalls und wir haben Shizophrene als Patienten, die genauso in einer sehr eigenen Welt leben. Dann ist es sehr schwer, mit Ihnen zu kommunizieren.

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  2. Vielen Dank fürs Mitmachen! Ich hatte mir vorgestellt:
    1. Depression
    2. Zwangsgedanken und Zwangshandlung
    3. Wahn (ob im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie oder als anhaltende wahnhafte Störung bei dem kleinen Auszug vermutlich noch nicht herauszuarbeiten)
    Also super gelöst!

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    1. Wie gesagt, ich denke, dass hier noch eine genauere Infos notwendig wären als in meinem kurzen Bericht. Vielleicht bezieht sich ja zum Beispiel der Zwangsgedanke auf eine bestimmte Person? Auf jeden Fall habe ich mir gemerkt ‚Exposition als Therapie bei Zwängen‘. Danke für den Austausch!

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