Frohes Neues!

‚Isst du das das erste Mal? Das ist ganz typisch bei uns, gibt es an jeder Straßenecke. Sag, dass du viel von den Kichererbsen möchtest, die sind das Leckerste daran.‘ Ich lächele den jungen Mann an, der neben mir in der Schlange steht und ganz begeistert ein Stück seiner Kultur mit mir teilt. Einen Moment später nehme ich den kleinen Plastikteller mit Puffreis, gewürztem Gemüse und Kichererbsen entgegen. Schon bei dem ersten Bissen merke ich, dass zudem ordentlich Schärfe dabei ist, Koriander und Zimt. Lecker!

Kulturelle Vielfalt

In einer Großstadt wie Paris ist ständig etwas los. Heute findet auf dem Vorplatz der Rotonde, direkt am ‚Bassin de la Villette‘, dem größten künstlichen Gewässer von Paris, eine große Party statt: bengalisches Neujahr. Ich bin umringt von Frauen in farbenprächtigen Saris. Auch einige Männer sind in eleganten weißen oder beigefarbenen Gewändern erschienen. Andere tragen ihre normalen Jacken und Jeans, was temperaturtechnisch die angenehmere Wahl ist. Aber natürlich längst nicht so feierlich und elegant. Ich setze mich auf den Rand des großen Springbrunnens, der sich noch im Wintermodus befindet. Kinder nutzen die Gunst der Stunde und spielen in dem großen leeren Becken. Ein etwa fünfjähriges Mädchen hat eine Seifenblasenpistole und produziert begeistert einen ganzen Schwarm glitzernder, federleicht schwebender Kugeln; ein etwas kleinerer Junge juchzt vor Vergnügen bei dem Versuch, so viele von ihnen wie möglich einzufangen. Ein paar ältere Kinder spielen Fußball. Nur aufpassen müssen sie, dass der Ball nicht in der Mitte des Brunnens verschwindet, das Loch sieht ziemlich tief aus… Von einer kleinen Bühne am Rand schallt Musik herüber. Disko-Beats aus Bangladesch oder Indien? Für meinen Geschmack sind die Lautsprecher zu laut aufgedreht, doch das scheint keinen anderen zu stören. Die Bengalen stehen entspannt beisammen, unterhalten sich angeregt und beobachten aufmerksam die Bühne, auf der wohl noch irgendetwas stattfinden wird.*

Gesellschaftsspiele

Etwas weiter am Bassin ist nichts mehr von den Neujahrsfeierlichkeiten zu spüren. ‚Paris respire‘ (= Paris atmet), wie jeden Sonntag: Die Straßen direkt am Kanal St. Martin sind heute (wie noch einige andere in Paris) für Autos gesperrt. Eine Gruppe junger Erwachsener hat ein kleines Buffet aufgebaut und macht Picknick, Wein wird in Plastikbecher geschenkt. Boule (bzw. Pétanque) ist sehr beliebt und trägt zur Völkerverständigung bei: eine Gruppe älterer Männer hat sich zusammengefunden, bunt zusammengewürfelt sind ihre Akzente, gemeinsam lachen sie und genießen die Gemeinschaft. Doch auch junge Leute finden Gefallen an dem Spiel mit den schönen silbernen Kugeln. Spielerisch, aber dennoch nicht ganz ohne Ehrgeiz, fachsimpeln sie über Wurftechniken und feuern sich gegenseitig an. Eine andere Gruppe vergnügt sich mit ‚Viking‘, einem Spiel aus Holzklötzen, das ich auch in Deutschland in den letzten Jahren immer öfter gesehen habe. Und noch ein ganz neues Spiel entdecke ich, mit zwölf (?) nummerierten Holzklötzchen. Eine Clique hat sie wie Kegel auf einer Bowlingbahn aufgestellt und versucht, sie umzuwerfen, kurz darauf sehe ich sie scheinbar wahllos durcheinander und mit etwas Abstand aufgestellt. Doch auch für hier scheint es das Ziel sein, die Klötze umzuwerfen. Interessant, da gibt es wohl mehrere Regeln.

Gestatten: Fremdenführerin

Auf dem Weg zurück zur Metro kommt etwas aufgeregt ein Mann um die 30 auf mich zu. Ob ich wisse, wo hier der Park sei? Ich schaue ihn an und überlege, was er wohl genau meint. Den Park de la Villette? Da könnte er eigentlich noch zwei Stationen weiter fahren… Dann erst fällt der Groschen und mir fallen sein dunkler Hautton und die glänzenden schwarzen Haare auf. ‚Das bengalische Neujahrsfest ist dort drüben‘, weise ich ihm den Weg, amüsiert über meine neue Rolle als Fremdenführerin in Paris.

* Eine Rede, Gesangseinlage und ein Volkstanz, wie ich noch beobachten werde.

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