Absolventenleben

Oh je, so langsam wird es aufregend. Meine Füße fangen an zu kribbeln. Ich habe nach dem Examen eine ganze Weile lang nichts gemacht. Ganz bewusst. Es sei denn, Serien schauen zählt. So richtig schön in den Tag hinein gelebt, wie ich es mir in der Lernzeit gewünscht hatte.

Dann war viel los, viel Schönes und trotzdem viel: Paris, Hochzeit einer guten Freundin, Festival mit einer ganzen Truppe lieber Menschen, Käffchen hier, Abendessen da. Zwei Wochen Urlaub. Quality-Time mit der Familie, Gipfel erklimmen, viel Sonne in der Toscana, angefangen zu zeichnen, viel gelesen. Direkt danach Besuch meiner Cousine aus Übersee. Die Feststellung, dass ich nicht nur mit meiner Kernfamilie gesegnet bin, sondern auch in der weiteren Verwandtschaft unglaublich tolle Personen habe. Eigentlich wusste ich das schon, aber wie schön, in solch positiven Dingen wieder und wieder bestätigt zu werden. Besuch der drei größten deutschen Städte, damit sie auch was sieht von Deutschland. Am Ende ihr Fazit: vermissen wird sie Spaziergänge und Spielplätze, Hamburg ist schöner als Berlin und München fühlt sich gar nicht wie Deutschland an. Aha.

Und dann war sie auch schon wieder weg und meine Rolle als Fremdenführerin nicht mehr benötigt

Jetzt also: Doktorarbeit. Ausgeschlafen und motiviert setze ich mich an den Tisch in einer lichtdurchfluteten ruhigen Bibliothek, die ich neu für mich entdeckt habe. Sogar einen Fensterplatz bekommt man mit Aussicht auf liebevoll bepflanzte Balkone, wenn man früh genug da ist, sprich spätestens kurz vor halb zehn. Das ist für mich eine sehr humane Zeit für den Start in den Tag.

Punkt für Punkt arbeite ich die mit meinem Doktorvater besprochenen ToDos ab, abhaken macht Spaß – und bin nach ein paar Tagen fertig. Schneller als gedacht. Und dann? Nochmal alles lesen, ist das jetzt auch im Ganzen rund, passt es zusammen, ist die Argumentationslinie klar zu erkennen? Die Kaffeepause mit Kommilitonen fühlt sich noch mal richtig verdient an. Und dann los, Endspurt vor der nächsten Rücksprache!

Ich gebe mein Bestes, doch die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen und ich setze bei jedem Absatz mindestens zweimal an. Ich kenne den Text. Ich habe ihn schon mehrfach durchgelesen. Ist er gut? Mir fällt es schwer, das zu beantworten, zu bekannt ist das alles für meinen Kopf, mein Geist lässt sich nicht täuschen: keine neuen interessanten Dinge werden ihm da präsentiert.

Ich merke, dass es Zeit wird.

Die Arbeit möglichst bald einreichen. Bewerbungen raushauen. Meine Zeit sinnvoll nutzen. Denn wenn nichts neues passiert, sind irgendwann auch die Kaffeepausen mit den immer gleichen Leuten nicht mehr so spannend. Denn der Kreis um mich herum wird immer kleiner, keiner hat mehr frei.

Luxusprobleme, ich weiß. Und trotzdem merke ich gerade: Arbeitslosigkeit wäre nichts für mich. Ich bin gern beschäftigt mit einer sinnvollen Tätigkeit. Da müsste ich mir irgendwelche Projekte suchen. Gerade bin ich zum Glück gar nicht wirklich arbeitslos und es liegt eindeutig in meiner Macht, diesen Zustand zu beenden. Indem ich mir nicht irgendein Projekt aus den Fingern sauge, sondern das eine große Projekt, für das die Planung seit Jahren läuft, nun wirklich angehe: anfange als Ärztin zu arbeiten.

Oh wei.

Juhu!

Oh wei.

Ein Gedanke zu „Absolventenleben

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